Da Jean-Claude Juncker vor seiner Amtsübernahme als EU-Kommissionspräsident über 18 Jahre hinweg luxemburgischer Premierminister war und davor als Finanzminister die Finanz- und Steuerpolitik seines Heimatlandes maßgeblich beeinflusste, prüft die EU-Kommission derzeit, ob er mitverantwortlich dafür ist, dass Luxemburg sich auf Kosten seiner Nachbarländer zu einer Steueroase entwickeln konnte.
Vor allem deutsche Konzerne, aber auch Großunternehmen anderer europäischer Länder, haben einen großen Teil ihrer Geschäfte pro forma nach Luxemburg verlagert, um in ihren Ländern Steuerzahlungen in Milliardenhöhe zu umgehen. In Luxemburg kamen viele Unternehmen in den Genuss, Steuern unter einem Prozent zu entrichten. Diese Steuervergünstigungen basierten häufig auf Absprachen der Unternehmen und den luxemburgischen Finanzbehörden. Der Verdacht einer unzulässigen Individualbesteuerung steht nun im Raum.
Markus Meinzer von der Nichtregierungsorganisation Tax Justice Network sagte dazu: „Solche und weitere Absprachen mit Unternehmen schaffen eine riesige Bandbreite, um die Gewinne einer Firma kleinzurechnen. In Luxemburg scheint es sogar so zu sein, dass das Endergebnis der steuerlichen Abrechnung vorweggenommen wird. Der Staat scheint sich mit einzelnen Unternehmen regelrecht auf einen effektiven Steuersatz einigen zu können.“ Kaum ein anderes EU-Land dürfte den Unternehmen steuerrechtlich so weit entgegengekommen sein.
Dass nun gerade von der EU-Kommission geprüft wird, ob Juncker selbst zu verantworten hat, dass Luxemburg mit dieser Steuerpolitik seine Nachbarländer finanziell schädigte, ist rechtlich äußerst fragwürdig. So ist von der EU-Kommission kaum eine angemessene Überprüfung zu erwarten. Dass die mögliche Verwicklung Junckers überhaupt überprüft wird, ist auf jeden Fall zu begrüßen.
Sollten die Überprüfungen ergeben, dass Juncker selbst verantwortlich für derartige Steuertricks Luxemburgs zeichnet, ist er als EU-Kommissionspräsident, der Verantwortung für die gesamte EU tragen soll, nicht tragbar. Denn einem Politiker, der über Jahre hinweg für aggressive Steuergestaltungen und Gewinnverlagerungen stand, könnte nun unmöglich zugetraut werden, eine wirksame Politik zur Trockenlegung von Steueroasen zu betreiben.
Ronny Zasowk