EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker steht wegen seiner aggressiven Steuerpolitik als Finanzminister und Ministerpräsident Luxemburgs massiv unter Druck. Wenn man nun meinen würde, er würde diesen nicht geringen Makel durch besondere Aktivitäten auszugleichen versuchen, sieht man sich getäuscht. Dem ersten Arbeitsprogramm der Junckerschen EU-Kommission zufolge sollen mehrere Umweltschutzrichtlinien zurückgenommen werden. So sollen ehrgeizige Ziele bei der Abfallgesetzgebung und das „Maßnahmenpaket für saubere Luft in Europa“ vor dem Aus stehen. Kritiker merken schon jetzt an, dass in Sachen Natur- und Umweltschutzpolitik von dieser Kommission nichts Gutes zu erwarten sein wird. Auch der Aufbau einer europäischen Kreislaufwirtschaft, wie er geplant war, 300.000 neue Arbeitsplätze schaffen und 70 Milliarden Euro Investitionen in umweltfreundliche Technologien mit sich bringen sollte, ist auf Eis gelegt.
Junckers Kommission will nach eigenen Aussagen im Jahr 2015 nur 23 und damit viel weniger Initiativen als seine Vorgänger starten. Darüber hinaus sollen 83 bereits auf den Weg gebrachte EU-Gesetze zurückgenommen oder verändert werden. Neben deutlichen Einschnitten im Umweltschutz soll auch im Bereich der Sozialpolitik zugunsten des „Bürokratieabbaus“ gekürzt werden. So soll eine bereits geplante Mutterschutzrichtlinie gestrichen werden.
Im Bereich der Finanzmarktregulierung, die angesichts der weiterhin wie ein Damoklesschwert über Europa schwebenden Wirtschaftskrise dringend notwendig wäre, sind keine weiteren Schritte geplant. Die vom Finanzmarktkommissar Jonathan Hill geplante „Kapitalunion“ muss mehr als Marktöffnung denn als Regulierung verstanden werden.
Überdies ist anvisiert, die lange geplante Europäische Stiftung zu streichen. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen geht davon aus, dass dies die gemeinnützige Arbeit in den europäischen Nationalstaaten weiter erschwert: „Hier wurde der Rotstift falsch angesetzt.“ Auch Maßnahmen zugunsten von Arbeitnehmern findet man in der Kommissions-Agenda nicht. Unter Juncker scheint in Europa die neoliberale und einseitig konzernfreundliche Politik ihre Fortsetzung zu finden, wie sie schon mehr als zwei Jahrzehnte in Luxemburg von ihm praktiziert wurde.