Von den etablierten Massenmedien weitgehend unbachtet, werden in einem Mitgliedsland der EU seit Monaten fundamentale Menschen- und Bürgerrechte mißachtet. Unter Aushebelung essentieller demokratischer Rechte versucht die griechische Regierung, die einzige echte Oppositionspartei im Lande, die Goldene Morgenröte, mundtot zu machen, indem sie in den letzten Monaten Abgeordnete und Parteimitglieder gleich reihenweise und ohne Gerichtsverfahren einsperren ließ und die Partei darüber hinaus bereits Ende 2013 von jeder staatlichen Parteienfinanzierung ausschloß. Bei der Europawahl am 25. Mai kam die Griechische Morgenröte zuletzt auf über neun Prozent der Stimmen und ist im neuen Europaparlament mit drei Abgeordneten vertreten. Diese machen mit dem hier angehängten Schreiben auf die anhaltende Patriotenverfolgung im EU-Mitgliedstaat Griechenland aufmerksam und bitten um unsere Solidarität.
An die Abgeordneten des Europaparlaments
Sehr geehrte Kollegen,
fortwährend ist zu hören, daß das antike Griechenland die Wiege der Demokratie war. Es wird Sie vielleicht überraschen, aber im modernen Griechenland ist die zutiefst korruptive Zusammenarbeit im Rahmen der Regierung zwischen Antonis Samarasund Evangelos Venizelos, also den Vorsitzenden der stärksten und der viertstärksten politischen Kraft nach den Europawahlen vom 25. Mai, dabei, die Gewaltenteilung abzuschaffen, die das grundlegende Prinzip der Demokratie ist; und sie wirft ihre politischen Gegner ins Gefängnis.
Als neue Mitglieder des Europaparlaments und Vertreter der politischen Partei Goldene Morgenröte, der drittstärksten politischen Kraft in Griechenland, die bei der kürzlichen Europawahl im Mai 2014 9,39 Prozent der Stimmenerreicht hat, wenden wir uns mit diesem Brief an Sie, um Sie in allen Einzelheiten über eine politische Verfolgung ohnegleichen zu informieren, die sich in unserem Land gegen eine legale Parlamentspartei richtet.
Im einzelnen: Am 28. September 2013 wurden der Vorsitzende unserer Partei, Nikolaos Michaloliakos, und die Abgeordneten Christos Pappas und Ioannis Lagos festgenommen, ohne daß zuvor ihre parlamentarische Immunität aufgehoben worden wäre. Sie wurden auf Veranlassung von Premierminister Antonis Samaras in Haft genommen, und zwar unter dem Vorwurf der Gründung und Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung namens Goldene Morgenröte. Drei weitere Abgeordnete, Elias Kassidiaris, Elias Panayotaros und Nikolaos Michos, wurden festgenommen. Nachdem sie dem Richter vorgeführt wurden, wurden sie unter außerordentlich harten Konditionen wieder auf freien Fuß gesetzt.
Im April 2014 wurde eine Erklärungdes Generalsekretärs der Regierung, Panayotis Baltakos, eines engen Vertrauten des Premierministers, veröffentlicht. In dieser Erklärung räumt Baltakos ein, daß die Untersuchungshaft der Abgeordneten der Goldenen Morgenröte vom Premierminister angeordnet worden war und daß dem Komplott im weiteren auch der Minister für öffentliche Ordnung, Nikolaos Dendias, Justizminister Charalampos Athanassiou und die Chefanklägerin des Obersten Gerichtshofes, Frau Efterpi Kotzamani. angehörten.
Vor dem griechischen Parlament hat der Justizminister inzwischen zugegeben, daß Premierminister Antonis Samaras ihn angerufen hatte, bevor der Vorsitzende unserer Partei, Nikolaos Michaloliakos, vom Richter vernommen wurde, und daß der Minister in weiterer Folge auch die Anwaltsvorsitzende Maria Tsami anrief.
Die Anklage, mit der sich unsere Abgeordneten konfrontiert sehen, betrifft keine Verstöße gegen das Strafrecht. Sie fußt vielmehr einzig und allein auf der Kriminalisierung ihrer Ideen und Überzeugungen; und sie umfaßt ausschließlich Bezugnahmen auf Auszüge aus Reden und geschichlichen Dokumenten, die man in ihren Bibliotheken vorfand.
Im Zuge der gleichen Anklage und trotz des Fehlens jeglichen Beweises wurden im November 2013 zwei weitere Abgeordnete unserer Partei, Giogos Germenis und Panayotis Iliopoulos, angeklagt und im Januar 2014 in Haft genommen. Das Gericht, das einen Antrag auf Haftentlassung unserer Abgeordneten begründete, erwähnte dabei, daß sich diese keine Verstöße gegen das Strafgesetz hätten zuschulden kommen lassen, daß Anhänger unserer Partei aber im Begriff gestanden hätten, Verbrechen zu begehen, und daß von den Abgeordneten kraft ihrer Position auch angenommen werden mußte, daß ihnen dies bewußt war.
Im Oktober 2013 hat das griechische Parlament ein sozusagen „maßgeschneidertes“ Gesetz verabschiedet (Art. 23 Nr. 4203/2013), dem zufolge das Parlament die staatliche Finanzierung von Parteien aufheben kann, deren Abgeordnete angeklagt sind, Mitglieder einer kriminellen Vereinigung zu sein, und zwar so lange, bis die Angelegenheit juristisch geklärt ist. Im Dezember 2013 machte sich die Parlamentsmehrheit – also unsere politischen Gegner – dieses Gesetz zunutze und hob jedwede staatliche Finanzierung der Partei Goldene Morgenröte auf. Dieses Verbot betraf auch die absehbare Finanzierung in der Folge der Wahl von Europa-Abgeordneten. Seither ist unsere Partei einer wirtschaftlichen Strangulierung ausgesetzt, die ihr politisches Handeln sehr schwierig und, was absehbar ist, im Laufe der Zeit unmöglich macht.
Im Mai 2014 haben die Richter, die mit der Angelegenheit befaßt sind, Ermittlungen wegen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung auch gegen die acht restlichen Mitglieder unserer Parlamentsfraktion aufgenommen: Artemis Mattheopoulos, Eleni Zaroulia, Nikolaos Kouzilos, Michail Arvanitis, Dimitris Koukoutsis, Polivios Zissimopoulos, Konstantinos Barbaroussis und Antonis Gregos.
Unter den letztgenannten wurde Nikolaos Kouzilos in Untersuchungshaft genommen, nachdem er vernommen worden war und unerachtet des Umstandes, daß er sich nicht der geringsten Gesetzesübertretung schuldig gemacht hatte. Was Dimitris Koukoutsis angeht, haben ihn die Richter zu Hausarrest verurteilt. Im gleichen Zuge wurde Michail Arvanitis untersagt, sich an politischen Aktivitäten der Partei zu beteiligen, deren Abgeordneter er ist.
Die übrigen Abgeordneten warten nun darauf [Stand: 27.06.2014; d.Ü.], in einigen Tagen vernommen zu werden, wobei ihnen ebenfalls Untersuchungshaft droht. Inzwischen wurden zwei Anträge auf Ablösung von Richtern gestellt, die mit dem Fall befaßt sind, weil diese erwiesenermaßen Druck auf Angeklagte ausgeübt hatten, um Falschaussagen zu provozieren. Der Gerichtshof hat unterdessen auch die oben genannten Anträge zurückgewiesen.
Die gerichtliche Untersuchung ist mittlerweile seit neun Monaten in Folge im Gange; ein Termin für Eröffnung und Abschluß des Prozesses ist nach wie vor unbekannt.
Hinzuzufügen ist, daß auf Anordnung der Regierung und wegen wichtiger wirtschaftlicher Interessen die Vertreter unserer Partei vom öffentlichen Fernsehen ebenso wie von den größten privaten Medien ausgeschlossen sind. Gleichzeitig berichten die Medien über die Entwicklung in der Angelegenheit in einer völlig diskriminierenden Weise, und sie zögern nicht einmal, Teile aus den Akten öffentlich zu machen, die zahlreiche Einzelheiten über das Privatleben der angeklagten Abgeordneten enthalten (Fotos, Videos von ihren Rechnern, SMS´ auf ihren Mobiltelefonen etc.).
Alles dies zeigt, daß sich die griechische Regierung der Justiz in einer Weise bedient, die auf die Neutralisierung, ja Ausschaltung ihrer wichtigsten politischen Gegner hinauslauft, war es doch die Goldene Morgenröte, die einen Großteil des Volkes gegen die Politik der Memoranden mobilisieren konnte und die verbreitete Korruption im Parlament aufzeigte, indem sie sich auf Tatsachen stützte. Wohl gemerkt: mit dieser Verfolgung zielt die Regierung darauf, das gesamte griechische Volk zu terrorisieren, und zwar in einer Weise, daß sich letztlich niemand mehr ihrer volksfeindlichen Politik entgegenzustellen vermag.
Was uns betrifft, steht für uns fest, daß es keine wahrhafte Union der europäischen Völker geben kann, so lange die demokratischen Institutionen nicht gefestigt sind, und zwar im Zentrum der EU ebenso wie an ihrer Peripherie.
Die Inhaftierung unserer Abgeordneten aufgrund ihrer Überzeugungen und ihres legitimen politischen Kampfes mit dem Ziel, die Korruption zu entlarven, bedeutet einen Anschlag und ein Risiko für die demokratische Bürgerschaft in Europa.
Alle diese Gründe zusammengenommen, erbitten wir von Ihnen Ihre volle und aktive Unterstützungfür den Kampf, den wir führen, um die Institutionen der Europäischen Union und darüber hinaus die internationale Gemeinschaft im weiteren Sinne zu mobilisieren und für das Verbrechen zu sensibilisieren, das im Vollzug begriffen ist und das von der Regierung von Antonis Samaras und Evangelos Venizelos zu Lasten der Demokratie und des Volkes verübt wird.
Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß alle Fakten, die die Existenz der genannten Verschwörung belegen, jederzeit zu Ihrer Verfügung stehen, ebenso wie wir selbst für alles Nähere und für jede Zusammenarbeit zur Verfügung stehen.
Mit freundlichen Grüßen,
Die Europaabgeordneten
Eleftherios Synadinos
Lampros Fountoulis
Georgios EpitideiosAthen, 27.6.2014