Straßburg setzt die Beitrittsverhandlungen mit Ankara aus – „vorübergehend“
Und wieder eine kleinlaute Niederlage der EU, auch wenn sie mit Stimmenmehrheit daherkommt: das Straßburger Europaparlament stimmte am heutigen Donnerstag für einen Entschließungsantrag aller größeren Parlamentsfraktionen, in dem ein Abbruch aller weiteren Beitrittsverhandlungen mit der Türkei gefordert wird. Begründet wird dieser Schritt mit den zahlreichen Menschenrechtsverletzungen im Nachgang zum gescheiterten Putsch im Juli, aber auch mit der aktuellen Diskussion über die Wiedereinführung der Todesstrafe in der Türkei.
Für die Urheber der heutigen Resolution – Christ- und Sozialdemokraten, Grüne, Linke, Liberale – kommt die heutige Abstimmung einem Offenbarungseid gleich. Denn bislang und bis zuletzt machten sich die gleichen politischen Kräfte für immer neue Schritte auf dem Weg zu einem türkischen EU-Beitritt stark und hielten wider alles bessere Wissen (und gegen breite Mehrheiten in allen Ländern der EU) an einer Beitrittsperspektive für Ankara fest. Jetzt knickten sie unter dem Eindruck immer neuer Brüskierungen vonseiten des Erdogan-Regimes ein und mußten, was Kritiker des Brüsseler Kurses seit langem fordern, das Beitrittsprocedere ihrerseits auf Eis legen; allerdings nur halbherzig: ausdrücklich fordert der heutige Entschließungsantrag dazu auf, die Beitrittsverhandlungen nur „vorübergehend“ auszusetzen. Als wäre das nicht genug, fordert der Resolutionstext darüber hinaus von den Mitgliedsländern, sich dafür einzusetzen, „daß sich die Türkei der EU verbunden fühlt“.
Der deutsche NPD-Abgeordnete Udo Voigt, der die Resolution selbstverständlich unterstützte und für einen Abbruch der Beitrittsverhandlungen stimmte, rief gleichwohl die Doppelzüngigkeit der EU in Erinnerung:
„Wenn man sich ansieht, wofür die EU Rußland und Syrien seit Jahren mit Sanktionen belegt, wundert man sich, warum die Türkei wegen ihrer permanenten Menschenrechtsverletzungen, der anhaltenden Aggressionen gegen die Kurden und ihrer zwielichtigen Rolle bei der Unterstützung des Terrors in Syrien jetzt nicht ebenfalls mit Sanktionen belegt wird. Solange sich die EU dazu nicht durchringt, ist jede weitere Fortsetzung der Sanktionspolitik gegenüber Rußland und Syrien der blanke Hohn. Zu fordern ist deshalb nicht nur das Ende aller weiteren EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, sondern darüber hinaus die unverzügliche Einstellung aller Sanktionen gegen Rußland und Syrien.“
Straßburg, 24.11.2016